Forschung in der Lehre

Die Zeit vergeht wie im Flug. Ein Klischee, das aber perfekt auf die aktuelle Situation unseres Lehrstuhls im Future Cities Laboratory passt. Kaum zu glauben, dass ich nun schon seit zweieinhalb Jahren in Singapur lebe und arbeite! Nun geht unsere Zeit hier zu Ende, und ein neues Kapitel beginnt. Der Lehrstuhl f¨¹r Architektur und Konstruktion kehrt zur¨¹ck an die ETH Z¨¹rich. Dort werden wir unsere Forschungsarbeit fortsetzen und eine Lehrveranstaltung im Bereich Konstruktion f¨¹r den Master-Studiengang anbieten ¨C eine spannende neue Aufgabe, auf die wir uns alle sehr freuen.

Wie entwickelt man aus jahrelanger intensiver Forschung ein akademisches Konzept? Eine Herausforderung, der wir uns gerade stellen. Wir m?chten eine Lehreinheit entwickeln, die Studierende inspiriert und gleichzeitig unsere aktuelle Forschungsarbeit st¨¹tzt. Keine leichte Aufgabe! Noch kann ich nicht genau nicht sagen, wie wir sie meistern werden. Einige m?gliche Ansatzpunkte und derzeit von uns entwickelte Instrumente kann ich allerdings schon vorstellen.

Praxisorientierung

Das Sch?ne an unserer Forschungsarbeit in Singapur ist, dass wir trotz aller wissenschaftlichen Akribie sehr praxisorientiert arbeiten. In den vergangenen Jahren haben wir unz?hlige Stunden in verschiedenen Labors verbracht. Wir haben f¨¹r unterschiedliche Baukonzepte Materialien aller Art, darunter Wasser, Papier, Erde oder Bambusfasern, gemischt, kombiniert, gepresst und getestet. In der Materialforschung geht es vor allem darum, bew?hrte Baustoffe und lokale Baupraktiken mit modernen Technologien zu kombinieren, um neue Materialien f¨¹r spezifische Anwendungen zu finden. Diese werden vorwiegend in Entwicklungsl?ndern eingesetzt, denn dort wird die Nachfrage nach Wohnraum in den n?chsten Jahren so hoch wie nie zuvor sein.

Prototypologien

Angesichts dieses enormen Bedarfs hat unser Lehrstuhl in den letzten Jahren zusammen mit Partnern in aller Welt einige Prototypologien entwickelt. Mit diesen Projekten wollten wir Methoden erarbeiten, die zwischen den uns bekannten formellen, architektonischen Strategien und den realen Gegebenheiten vor Ort vermitteln. Vor zwei Jahren luden wir daher eine Gruppe von Studierenden der ETH zu einem intensiven baupraktischen Workshop nach ?thiopien ein. Das Ergebnis war eine umfassende Wohntypologie auf der Basis von Stroh, einem in diesem Land ¨¹berall verf¨¹gbaren landwirtschaftlichen ?Abfallprodukt?. Im Rahmen einer ETH Summer School haben unsere Studierenden auch H?user gebaut ¨C vorwiegend aus Erde und Naturstein. Vor kurzem haben wir ein prototypisches Geb?ude aus weggeworfenen PET-Flaschen getestet. Allen diesen Experimenten ist eines gemeinsam: Zun?chst m¨¹ssen die sozialen, kulturellen und klimatischen Gegebenheiten eines Ortes erfasst und die jeweils geeigneten Baumaterialien bestimmt werden. Erst dann beginnt die Konstruktionsphase. Wenn wir im Herbst dieses Jahres unsere Arbeit in Z¨¹rich aufnehmen, werden die Erfahrungen mit diesen vollmassst?blichen Geb?uden ein wichtiger Aspekt unseres Lehrkonzepts sein.

B¨¹cher und Ver?ffentlichungen

Zurzeit sind an unserem Lehrstuhl zwei B¨¹cher in Vorbereitung, mit denen wir sowohl eine tiefere Einsicht in unsere Methodologie gewinnen als auch unsere Ergebnisse p?dagogisch aufbereiten wollen. Im ersten Buch unternehmen wir den Versuch, den Bauprozess einer unserer Prototypologien in ?thiopien von Anfang bis Ende zu beschreiben. Es ist als Leitfaden f¨¹r all jene gedacht, die dieses Experiment wiederholen m?chten. Das zweite Buch, ?Building from Waste?, zeigt, dass auch Abfallstoffe als m?gliche Baumaterialien Verwendung finden k?nnen und in der Architektur sowie im St?dtebau ber¨¹cksichtigt werden sollten.

Nach unseren Erfahrungen in der Forschungsabteilung des FCL in Singapur bin ich pers?nlich sehr gespannt auf die Arbeit an der ETH. Ich freue mich auf die Herausforderung, nun auch in der Lehre t?tig zu sein. Unser Ziel, wieder vollmassst?bliche Geb?ude zu errichten, wird mir und, wie ich hoffe, auch unseren Studierenden, einzigartige, tiefgreifende Erfahrungen erm?glichen. In den n?chsten Monaten wird uns vor allem die Umsetzung unserer Forschungsergebnisse in p?dagogische und methodologische Strategien besch?ftigen. Wir hoffen, dabei auch unerwartete und neuartige Methoden zu finden. Vielleicht kann ich dar¨¹ber ja in einer k¨¹nftigen Kolumne berichten? Wir sehen uns in Z¨¹rich!