Jod-Versorgung über Muttermilch: Der indirekte Weg zum Ziel

Jod-Mangel hat bei Babys gravierende Folgen. Die WHO empfiehlt stillenden Müttern ohne Zugang zu jodiertem Salz, eine Jod-Kapsel zu schlucken, die ein Jahr lang sie und das Kind versorgen soll. ETH-Forschende prüften erstmals, wie wirksam diese Massnahme ist.

indirect iodine supplementation
Jod ist essentiell für eine gesunde Entwicklung. ETH-Forschende stellten fest, dass bei Babys die Jod-Versorgung übers Stillen am besten funktioniert. (Bildmontage: Andrea Lingk / ETH Zürich)

Jod ist für den menschlichen K?rper unentbehrlich. Insbesondere bei S?uglingen ist dieses Spurenelement kritisch für eine gesunde Entwicklung. Wachstumsst?rungen und Sch?den am Nervensystem k?nnen die Folge eines Mangels sein. In Jod-Mangel-Gebieten, wie auch der Schweiz mit ihren Jod-armen B?den, wird jodiertes Salz zum Kochen und auch in der Lebensmittelindustrie empfohlen. ?ber die Muttermilch und Babynahrung mit Jod-Zusatz sind Neugeborene so in der Regel ausreichend mit dem Spurenelement versorgt. Jedoch sind gerade in entlegenen Gebieten in Entwicklungsl?ndern Jod-Salz oder jodierte Babynahrung nicht fl?chendeckend vorhanden und erreichen die gef?hrdeten Bev?lkerungsgruppen unvollst?ndig.

Um Neugeborene dennoch mit dem Spurenelement zu versorgen, empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation WHO in diesen Gebieten frischgebackenen Müttern eine Jod-Depot-Kapsel zum Schlucken, die ein Jahr lang den Jod-Bedarf der Mutter und übers Stillen auch des Kindes decken soll. In F?llen, in denen Stillen keine Option ist, verabreichen Mediziner dem S?ugling direkt eine niedriger konzentrierte Jod-Depot-Pille. Die Wirksamkeit dieser beiden Massnahmen wurde bislang jedoch nie geprüft. Ein Team von Forschenden der ETH verglich nun erstmals die direkte Jod-Gabe an Neugeborene mit der indirekten Versorgung über die Muttermilch und begleitete die Mütter und ihre Babys ein Jahr lang, um ihren Jod-Status zu beobachten. Dabei stellten sie fest, dass die Jod-Kapsel der Mutter zu verabreichen effektiver ist als sie direkt dem Kind zu geben. Jedoch reichen beide Massnahmen nicht aus, um die Versorgung mit dem Spurenelement für Mutter und Kind zu gew?hrleisten.

Alle Reserven in die Muttermilch

Raschida Bouhouch, ETH-Doktorandin im Labor für Humanern?hrung, und ihre Kollegen untersuchten in einer Blindstudie 241 Mutter-Kind-Paare in Marokko, von denen bei der einen H?lfte die Mutter die Jod-Depot-Kapsel und das Baby ein Placebo schluckte, bei der anderen umgekehrt, wobei die jeweilige Pille beim ersten Impftermin innerhalb der ersten acht Wochen nach der Geburt verabreicht wurde. Anschliessend massen Bouhouch und ihre Kollegen über neun Monate hinweg die Jod-Konzentration in der Muttermilch, sowie im Urin der Mutter und des Kindes, um den Jod-Status der beiden zu bestimmen.

Zwar ging bei Jod-Gabe an die Mutter erstaunlich viel des Spurenelements über die Muttermilch an das Kind, doch fiel die Jod-Konzentration im Urin des Babys bereits neun Monate nach der Geburt wieder unter die kritische Schwelle. Bei der Mutter selbst vermochte die einmalige Dosis den Jod-Mangel zu keinem Zeitpunkt zu beheben. ?Der K?rper der Mutter ist offenbar darauf eingestellt, alle Jod-Reserven in die Versorgung des Kindes zu stecken, und beh?lt nicht genug für sich selbst?, erkl?rt Bouhouch. Schon kurz nach der Geburt h?tten die S?uglinge so einen deutlich besseren Jod-Status als ihre Mütter. Dennoch lagen die Werte deutlich unter dem vom K?rper ben?tigten Mindestwert.

WHO-Empfehlungen nicht ausreichend

Im Vergleich funktionierte die direkte Jod-Gabe an die Neugeborenen deutlich schlechter als der indirekte Weg über die Muttermilch. Ein Grund dafür k?nnte sein, dass der K?rper des Kindes das Spurenelement besser aufnehmen kann, wenn es über die Muttermilch in vorverarbeiteter Form weitergegeben wird. So blieb der Jod-Status der S?uglinge, welche die Kapsel direkt erhielten, meist unter dem Mindestwert.

?Das bedeutet nicht, dass die direkte Jod-Gabe v?llig schlecht ist?, betont Bouhouch. Beide Massnahmen reduzierten bei den S?uglingen Fehlfunktionen der Schilddrüse, welche Jod zur Produktion von Hormonen ben?tigt. Dennoch müsste die Empfehlung der WHO angepasst werden, da die einmalige Jod-Dosis nicht wie bislang angenommen für ein ganzes Jahr reiche, sondern nur für etwa sechs Monate, sagt Bouhouch. Auch reiche die Jod-Kapsel offenbar nicht, den Jod-Status der Mutter auf ein gesundes Niveau anzuheben. ?Besser w?re, den Müttern nicht nur einmal im Jahr, sondern gegebenenfalls zweimal Jod zu geben.? Auch bei der direkten Jod-Gabe an den S?ugling seien regelm?ssigere und niedrige Dosen zu bevorzugen. Ausserdem ist die in der Studie eingesetzte Strategie, die Jod-Kapsel regul?r beim ersten Impftermin nach der Geburt zu verabreichen, ein vielversprechender Ansatz, der zu einer offiziellen Empfehlung werden k?nnte.

Im weiteren werden die Forschenden um Michael Zimmermann, ETH-Professor für Humanern?hrung und Leiter der Studie, untersuchen, wie die hohe Jod-Dosis im K?rper der Kinder und Mütter verstoffwechselt wird. Die Umsetzung im K?rper ist bislang noch nicht vollst?ndig verstanden.

Literaturhinweis:

Bouhouch RR, Bouhouch S, Cherkaoui M, Aboussad A, Stinca S, Haldimann M, Andersson M, Zimmermann MB: Direct iodine supplementation of infants versus supplementation of their breastfeeding mothers: a double-blind, randomised, placebo-controlled trial. The Lancet Diabetes and Endocrinology, November 22, 2013. DOI: externe Seite10.1016/S2213-8587(13)70155-4

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