Ernährungssicherheit dank Fäkalien und Abfall

ETH-Forschende bauen gemeinsam mit Partnern in ?thiopien, Ruanda, der demokratischen Republik Kongo und Südafrika Kreislaufwirtschaften auf, in denen organische Abf?lle und F?kalien rezykliert und als Dünger oder Tierfutter eingesetzt werden. Dadurch steigen die Ertr?ge und neue Arbeitspl?tze entstehen.

Gruppenfoto Runres-Team in Ruanda vor einem weissen Zelt
Das Runres-Team besichtigt die Farm in Kamonyi, Ruanda, in der die Larven der Schwarzen Soldatenfliege gezüchtet werden.   (Bild: Runres / ETH Zürich)

Rund 250 Millionen Afrikaner:innen, jeder fünfte Mensch auf dem zweitgr?ssten Kontinent, leidet an Hunger oder Unterern?hrung. Ein Grund dafür ist, dass den landwirtschaftlich genutzten B?den nicht genug N?hrstoffe zugeführt werden und dadurch die Ertr?ge sinken. Gleichzeitig haben viele St?dte in Subsahara-Afrika ein Problem mit der Abwasser- und Abfallentsorgung. Die sanit?re Infrastruktur ist der rasanten Verst?dterung oft nicht gewachsen.

In der Regel betrachten Forschende diese beiden Probleme getrennt. Nicht so in der Forschungsgruppe für nachhaltige Agrar?kosysteme der ETH Zürich von Johan Six: ?Wir wollen regionale Kreislaufwirtschaften aufbauen, in denen Menschen vor Ort N?hrstoffe aus F?kalien und organischen Abf?llen wiederverwerten und als Dünger für den Anbau von Lebensmitteln oder als Viehfutter nutzen?, erkl?rt der ETH-Professor.

Zusammen mit dem Transdisziplinarit?tslabor (TdLab) der ETH Zürich leitet seine Gruppe seit 2019 das von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) finanzierte Forschungs- und Entwicklungsprojekt ?Runres?. In ?thiopien, Ruanda, der Demokratischen Republik Kongo und Südafrika haben die Forschenden gemeinsam mit lokalen Partnern gezeigt, dass sie sowohl die Ern?hrungssicherheit als auch die Abfallentsorgung durch die geschickte Wiederverwendung und Aufwertung von organischen Abf?llen verbessern k?nnen. Da lokale Unternehmer:innen diese Projekte mitgestalten und mit Unterstützung der Forschenden selbst umsetzen, sind neue Arbeitspl?tze entstanden, insbesondere auch für Frauen.

Mit dem Abspielen des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerkl?rung von YouTube.Mehr erfahren OK
Runres - ETH Zürich (Video: Nicole Davidson / ETH Zürich)

Kompost aus F?kalien und Gartenabf?llen

In vielen l?ndlichen Gebieten Südafrikas entsorgen die Menschen ihre Ausscheidungen weiterhin in Grubenlatrinen. Dies stellt Gemeindeverwaltungen vor grosse Herausforderungen, denn die Latrinen füllen sich schnell. Dadurch besteht ein h?heres Risiko, dass Menschen in Kontakt mit Krankheitserregern kommen.

Gemeinsam mit lokalen Partnern in der Gemeinde Msunduzi hat sich Benjamin Wilde, Postdoc an der Professur für nachhaltige Agrar?kosysteme, diesem Problem angenommen: ?Wir arbeiten mit der lokalen Firma Duzi Turf, einem ?ffentlichen Versorgungsunternehmen und der Gemeinde zusammen, um aus Kl?rschlamm und Gartenabf?llen Kompost herzustellen. Dieser wird dann als Dünger eingesetzt?, erkl?rt der Texaner, der ?Runres? von Zürich aus koordiniert.

W?hrend die Gemeinde die Grünabf?lle und das ?ffentliche Versorgungsunternehmen den Kl?rschlamm liefert, ist das Unternehmen für die Kompostierung zust?ndig. Diese Zusammenarbeit ?ffentlicher und privater Akteure hat nicht nur das Potenzial, die vollen Latrinen in der Gemeinde zu entleeren. Mit dem Kompost werden sowohl Grünanlagen als auch die Felder einer benachbarten Bauernkooperative gedüngt, was deren landwirtschaftliche Ertr?ge erh?ht. Darüber hinaus schafft das lokale Unternehmen durch den Verkauf des Komposts neue Arbeitspl?tze.

?hnlich wie in Südafrika geht es auch beim Runres Projekt in Bukavu, einer Stadt im Osten der Demokratischen Republik Kongo, um die Herstellung von Kompost aus organischen Abf?llen. Um diese Abf?lle in der Stadt besser sammeln zu k?nnen, führte der Runres-Sozialwissenschaftler Leonhard Spaeth gemeinsam mit Forschenden des International Institute of Tropical Agriculture (IITA) eine Aufkl?rungskampagne durch, welche die Bewohner:innen ermutigte, organische Haushaltsabf?lle besser zu trennen. ?Damit wir aus Abfall günstig und effizient Kompost machen k?nnen, ist eine funktionierende Mülltrennung in den Haushalten entscheidend?, erkl?rt Spaeth. Dadurch konnte nicht nur die Abfallentsorgung in der Stadt verbessert werden, sondern auch die ?ffentliche Gesundheit.  Der Kompost wird zudem an lokale Kaffeebauern verkauft, die ihn als Dünger einsetzen.

Nachhaltiges Tierfutter aus Abf?llen

Die Aufbereitung und Wiederverwertung von organischen Abf?llen ist auch in einem weiteren Projekt von ?Runres? zentral. In Ruandas Hauptstadt Kigali arbeiten die ETH-Forschenden mit einem lokalen Unternehmen zusammen, das organische Abf?lle sammelt und damit die Larven von Soldatenfliegen füttert.

?Die Larven fressen den organischen Abfall und wandeln ihn in eigene Biomasse um. Sie sind eine ausgezeichnete Proteinquelle für Nutztiere wie Hühner oder Fische?, erkl?rt Wilde.

Nach wie vor importiert Ruanda einen Grossteil des Tierfutters aus dem Ausland. Kleinbauern k?nnen sich dieses teure Importprodukt aber oft nicht leisten. Die Fliegenlarven sind deshalb eine günstige und lokale Alternative, die Arbeitspl?tze schafft und die Kosten für die Abfallentsorgung senkt.  

Darüber hinaus wirkt diese neue Quelle für Tierfutter auch der ?berfischung entgegen. Denn bis anhin verwenden Bauern für die Geflügel- oder Fischzucht vor allem Fische aus lokalen Seen.

Die Larven der Schwarzen Soldatenfliege in einem Kübel
Die Larven der Schwarzen Soldatenfliege werden auf organischen Abf?llen gezüchtet und dann als hochwertiges Geflügelfutter verkauft.   (Bild: Runres / ETH Zürich)

Kreislaufwirtschaft rundum die Banane

Auch in Arba Minch, einer Stadt im Süden ?thiopiens, sind die ETH-Forschenden mit einem Runres-Projekt engagiert. Die Region ist ein grosses Bananenanbaugebiet. Viele Bauern schicken ihre Bananen als Rohware nach Addis Ababa, der Hauptstadt von ?thiopien, wo H?ndler sie weiterverkaufen. Da die Bauern am untersten Ende der Wertsch?pfungskette stehen, verdienen sie sehr wenig damit.

Die ETH-Forschenden haben in den letzten zwei Jahren gemeinsam mit einem lokalen Unternehmen eine Fabrik aufgebaut, die hochwertigere Bananenprodukte wie Bananenmehl und Bananenchips produziert. Die Firma verkauft diese Produkte direkt an Superm?rkte, Schulen und Krankenh?user.

?Dank h?heren Gewinnmargen kann das Unternehmen den Bauern einen besseren Preis für ihre Bananen zahlen. Mehr Wertsch?pfung und letztlich auch Arbeitspl?tze bleiben in der Region?, erkl?rt ETH-Forscher Wilde. Aus den Bananen will das Unternehmen in Zukunft auch Babynahrung produzieren, was die Wertsch?pfung weiter erh?ht.

Um ihre Felder zu düngen, verwenden die Bananenbauern den Kompost eines Unternehmens, das auch Teil des Runres-Projektes ist. Diese Firma erzeugt Kompost und Tierfutter aus kaliumreichen Bananenschalen, die bei der Produktion von Bananenprodukten abfallen. Ganz im Sinne von Runres entsteht durch all diese Neuerungen eine regionale Kreislaufwirtschaft, in der Abf?lle wiederverwertet und als Dünger in der Landwirtschaft eingesetzt werden. 

RUNRES-Wissenschaftler Abebe Arba zeigt die steigenden Erträge bei Bananen, die durch den Einsatz von Kompost erzielt wurden.
Runres-Wissenschaftler Abebe Arba zeigt die steigenden Ertr?ge bei Bananen, die durch den Einsatz von Kompost erzielt wurden.  (Bild: Runres / ETH Zürich)

Lokale Partner von Anfang an eingebunden

Die Projekte von Runres haben nicht nur den Verdienst und die Lebensbedingungen der Bev?lkerung vor Ort verbessert, auch die Art und Weise wie sie durchgeführt wurden, ist neu: In jedem der vier afrikanischen L?nder, in denen Runres l?uft, gibt es mindestens zwei lokale Projektmitarbeiter:innen, die über das Projekt finanziert werden. Sie sind gut vernetzt und mit den Gegebenheiten des Landes vertraut. Gemeinsam mit den ETH-Forschenden identifizierten diese beiden Personen Akteure aus der Wirtschaft, Politik und Verwaltung, die am Aufbau von Kreislaufwirtschaften interessiert sein k?nnten.

Gruppenfoto Runres-Projekt Team vor einem blauen Haus
Das Runres-Team und Interessenvertreter aus der Gemeinde treffen sich in Bukavu, DRC, um Strategien für die Projektumsetzung zu entwickeln. (Bild: Runres / ETH Zürich)

Diese potenziellen Parter:innen trafen sich dann in transdisziplin?ren Innovationsplattformen, welche die Runres-Mitarbeitenden moderierten. ?Anstatt mit vorgefertigten L?sungen auf lokale Akteure zuzugehen, haben wir die Innovationen gemeinsam mit ihnen erarbeitet und umgesetzt. Speziell dabei ist, dass sich die lokalen Partner von Beginn an auch finanziell beteiligen. Mit diesem Ansatz teilen wir nicht nur die Verantwortung, sondern schaffen auch eine gemeinsame Wissensbasis und kreieren ‘Ownership’ bei den lokalen Akteuren?, erkl?rt Pius Krütli, der Ko-Direktor des TdLab der ETH Zürich. Die Forschenden konzentrierten sich auf Unternehmen, welche von den Neuerungen profitieren würden und daher motiviert waren, sich zu engagieren.

In der ersten Phase des Projektes, die n?chstes Jahr endet, haben die Forschenden gezeigt, dass ihr Konzept regionaler Kreislaufwirtschaften funktioniert: Die Gesundheit der B?den nimmt zu, w?hrend die Abwasserentsorgung sich verbessert hat; die landwirtschaftlichen Ertr?ge steigen, w?hrend neue Arbeitspl?tze entstehen und der Austausch von Wissen und Erfahrungen funktioniert.

In der zweiten Phase, die bis 2027 dauert, wollen die ETH-Forschenden und ihre Partner in Afrika die Projekte ausweiten. Das Ziel ist, dass sie zu selbsttragenden Aktivit?ten werden, die ohne DEZA-Hilfe auskommen.  

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert